Neue Ausgabe (03/16) von Communicatio Socialis zum Thema Sexualität und Medien erschienen!

Neue Ausgabe (03/16) von Communicatio Socialis zum Thema Sexualität und Medien erschienen!

comsoc-3_2016-umschlagVon der Kindersendung über Popmusik bis hin zu Kinofilmen und Videospielen: Sexuelle Inhalte sind heute omnipräsent. In den vergangenen Jahren haben sowohl die Menge wie auch die Explizitheit der medialen Darstellungen zugenommen. Es ist von einer Sexualisierung der Gesellschaft durch die Medien die Rede, deren Folgen in Wissenschaft und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden.

Im Kontext von Medien und Sexualität sind drei Formen von Angeboten zu unterscheiden: sexuelle Informationsangebote, sexuelle Unterhaltungsangebote, sowie sexualisierende Darstellungsweisen eigentlich nicht-sexueller Inhalte. Das Internet hat die Verbreitung der zweiten Form stark unterstützt. Jeder achte Webseitenaufruf  in Deutschland ist nach einer Erhebung des Analyse-Unternehmens SimilarWeb aus dem Jahr 2013 ein Zugriff auf Seiten mit pornografischem Bild- und Videomaterial. Im internationalen Durchschnitt liegt das Interesse an Nacktinhalten bei 7,65 Prozent, die Bundesrepublik gehört demnach zur weltweiten Spitzengruppe.

Als problematischer betrachtet wird jedoch die starke Präsenz von Medienangeboten der dritten Kategorie. Inhaltsanalysen zeigen beispielsweise, dass die Texte von Popsongs zunehmend weniger romantisch und dafür immer stärker sexualisiert sind. In Videospielen begegnen Jugendliche hypersexualisierten Charakteren wie Lara Croft, Protagonistin in „Tomb Raider“, und Duke Nukem, Hauptfigur des gleichnamigen Spiels. In der inszenier- ten Wirklichkeit vieler Castingshows gehören sexualisierte Darstellungen zum Standardrepertoire. Und natürlich nutzt die Werbung sexuelle Schlüsselreize. Attraktive, leicht oder gar nicht bekleidete Frauen und – deutlich seltener – Männer werben für alles Mögliche vom Mineralwasser bis zur Margarine. Sogar Politikmarketing setzt mitunter auf die Binsenweisheit „Sex sells“: Die Berliner CDU-Direktkandidatin Vera Lengsfeld nutzte im Bundestagswahlkampf 2009 ein Foto, das Kanzlerin Angela Merkel mit tiefem Ausschnitt zeigt, für ihre Wahlplakate. Dazu der Slogan: „Wir haben mehr zu bieten“.

Sexualisierende Darstellungsweisen transportieren Konstruktionen von Wirklichkeit, die problematische Vorstellungen vermitteln können. Sexualisierung in den Massenmedien bedeutet meist die Inszenierung von Mädchen und Frauen als Sexualobjekte. David Beckham in Unterhosen ist noch immer die Ausnahme. So sehr in allen Bereichen der Gesellschaft mittlerweile über Gleichstellung diskutiert wird: Einem Großteil sexualisierter Medieninhalte ist nach wie vor eine – zumindest unterschwellige Geschlechterdiskriminierung inhärent. Mediensexualität bewegt sich häufig auf einem schmalen Grat zwischen sexy und sexistisch.

Es ist ein Kennzeichen einer offenen, toleranten Gesellschaft, dass Sex ein öffentliches Thema ist. Aber: Natürlich hat es Konsequenzen, wenn Sexualität die Intimsphäre verlässt. Zu den befürchteten Folgen zählen neben der Verfestigung eines abwertenden Frauenbildes die zwischenmenschliche Abstumpfung, psychischer Druck und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und Sexualleben. Die mediale Repräsentation von Sexualität pauschal zu verurteilen, ist jedoch weder sinnvoll noch wird dies der differenzierten Realität gerecht. Nur ein kleines Beispiel: Als sich 1990 in der ARD-Serie „Lindenstraße“ erstmals im deutschen Fernsehen zwei Männer küssten, war dies ein wichtiger Schritt für die Normalisierung von Homosexualität in der Bundesrepublik.

Communicatio Socialis hat in der aktuellen Ausgabe eine differenzierte Betrachtung der Thematik Medien und Sexualität zum Schwerpunkt gemacht. Beachtung finden dabei alle drei Angebotsformen von Mediensexualität.

Mit sexualisierenden Darstellungsweisen im Kinder- und Jugendfernsehen befasst sich Maya Götz. Anhand verschiedener Studien zu Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“ zeigt sie auf, welche Folgen Hypersexualisierung insbesondere für junge Zuschauerinnen hat. Von den Darstellungen unerreichbarer Schönheitsideale und ständiger Verfügbarkeit können sich die Rezipient_innen nämlich nur scheinbar abgrenzen.

Der Umgang Jugendlicher mit sexuellen Unterhaltungsangeboten steht bei Andreas Büsch und Benedikt Geyer im Fokus. Angesichts der gestiegenen Verfügbarkeit von Pornografie diskutieren die Autoren Herausforderungen für Medienethik, Medienpädagogik und Soziale Arbeit. Sie erläutern, wie Jugendliche Pornografie rezipieren und welche Folgen dies hat. Darauf basierend formulieren sie Vorschläge für die Praxis: eine Vermittlung von „Porno-Kompetenz“ statt Tabuisierung.

Es folgt eine Studie, die sich mit der medialen Berichterstattung über sexuelle Gewalt befasst. Stefanie Dürr, Daniela Märkl, Maria Lisa Schiavone und Melanie Verhovnik untersuchten die öffentliche Diskussion über die Kölner Silvesternacht, in der laut offiziellem Ermittlungsbericht 529 Sexualstraftaten begangen wurden. Eine adäquate öffentliche Debatte über sexuelle Gewalt entstand daraus jedoch nicht, das zeigen die Autorinnen mit ihrer qualitativen Kommentaranalyse.

Das wohl bekannteste sexuelle Informationsangebot für Jugendliche in Deutschland ist seit Jahrzehnten die Rubrik „Dr. Sommer“ in der Jugendzeitschrift „Bravo“. Deren 60. Geburtstag haben wir zum Anlass genommen, nachzufragen, welche Veränderungen sich über die Jahrzehnte hinweg in der Aufklärungsarbeit ergeben haben. Sabine Kadolph, seit 25 Jahren Mitglied des Dr. Sommer-Teams, hat geantwortet.
Komplettiert wird der Schwerpunkt zu Medien und Sexualität durch einen Bericht zum Vorstoß des Bundesjustizministers Heiko Maas zu einem Verbot sexistischer Werbung. Communicatio Socialis-Redakteurin Renate Hackel-de Latour gibt einen Überblick zu den Hintergründen und Chancen des Vorhabens.

Sie können das neue Heft ab sofort online lesen und auch einzelne Artikel online erwerben. Wie gewohnt erscheint die neue Ausgabe auch in gedruckter Form.

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