Zum aktuellen Heft:
„Medien in Afrika | Afrika in den Medien“
Armut und Krise, faszinierende Landschaften und exotische Tiere: Das sind typische Bilder, die wir mit Afrika verbinden und die die Berichterstattung dominieren – wenn denn überhaupt über Afrika berichtet wird. Immer noch gilt: Medien berichten tendenziell zu wenig und dafür zu negativ. Damit werden Stereotype verstärkt und gleichzeitig der Blick auf politische und soziale Entwicklungen sowie die kulturelle Vielfalt des Kontinents vernachlässigt.
Diesem Umstand widmet sich die aktuelle Ausgabe der medienethischen Zeitschrift Communicatio Socialis. Gleich vorweg gilt es dabei einzuschränken: Auch hier können nur Schwerpunkte gesetzt werden. Das Heft möchte somit die Komplexität der afrikanischen Medien-Realitäten in Teilaspekten aufzeigen und zu einem weiterführenden kritischen Diskurs anregen.
Die Beiträge im Heft
Den Auftakt macht Lutz Mükke, der mit seinen Forschungsergebnissen zu Subsahara-Afrika – unterlegt durch inhaltsanalytische Daten zur Berichterstattung über deutsche Militäreinsätze in der Sahel-Zone – weiterhin die bekannte Schieflage in der Berichterstattung ausmacht. Es fehlt an unabhängiger Recherche vor Ort und hintergründiger Berichterstattung, Quellenvielfalt, Perspektivwechseln, grenzübergreifenden Kooperationen mit Journalist:innen aus Afrika und an einem dichteren Korrespondentennetz. Trotz der negativen Bilanz sieht Mükke auch Positives: Die Bedingungen, es besser zu machen, seien heute so gut wie nie zuvor.
Wie sich die afrikanische Kommunikationswissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat und wie Förderung und Kooperation gelingen können, beleuchtet ein Interview von Jonas Schützeneder mit Susanne Fengler, Expertin für Journalismus im internationalen Vergleich. Sie sieht die afrikanische Kommunikationswissenschaft als lebendig und vielfältig, häufig jedoch mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert. „Medienentwicklungszusammenarbeit“ betrachtet sie kritisch, wenn dabei die Themen der Förderer dominieren und dann wenig Akzeptanz vor Ort finden. Darum macht sie sich für die Förderung kommunikationswissenschaftlicher Grundlagenforschung stark.
Über die ersten Ergebnisse eines von der Thyssen-Stiftung geförderten Projekts zum Kinoerzählen in Ostafrika, einer dort überaus populären kulturellen Praxis, berichtet Matthias Krings in seinem kostenfrei abrufbaren Beitrag (DOI 10.5771/0010-3497-2024-1-28). Hierin stellt er die Entwicklungslinien der intermedialen Erzählgattung vor: den Wandel von der Live-Performanz des Erzählers mit seinem Publikum, der die Filmbotschaften durch eingesprochene Erläuterungen unterstützt, hin zu einer mediatisierten, technisch aufgezeichneten Form, in der der Erzähler auf den Socialmedia-Plattformen zum Star vor der Kamera wird. Krings schildert ebenso den funktionalen Wandel des Kinoerzählens von der Informationsübertragung zur Unterhaltung sowie den Wandel von der Kommentierung fremder zur Kommentierung eigener Lebenswelten.
Das Erzählen im Film – aber aus einer anderen Perspektive – thematisiert auch Thomas Bohrmann. Er beschäftigt sich mit Afrikabildern in Spielfilmen aus den vergangenen Jahrzehnten aus der Blickrichtung westlicher Filmschaffender mit einem eurozentristischen Blick auf den Sehnsuchts- und Fluchtort Afrika sowie der Innensicht afrikanischer Filmschaffender, die auf die sozialen und politischen Probleme Afrikas fokussieren. Der Aufsatz belegt, dass über filmische Narrationen eine Sensibilisierung für fremde Kulturen und damit interkulturelle Begegnung gelingen kann.
Den Schluss unseres Schwerpunktes bilden zwei Innenansichten. Die in Südafrika arbeitende Auslandskorrespondentin Leonie March, berichtet über das Riff-Reporter-Projekt „Lessons from Africa“. Das Format zeigt auf, wie Afrikaner:innen Herausforderungen in ihren Ländern angehen, was sie in Ihren Projekten anders oder besser machen als externe Akteur:innen und schafft damit einen Perspektivwechsel. In der zweiten Innenansicht berichtet Stève Hiobi über seinen Social Media-Account @DeinBruderStève. Auf Instagram und TikTok sowie mittlerweile in Kooperation mit dem SWR vermittelt er in kurzen, auch humorvollen Sequenzen ein Bild von Afrika jenseits der stereotypischen Darstellungen.
Im aktuellen Heft beleuchten zwei Aufsätze aktuelle medienethische Fragestellungen. André Haller und Christoph Freidhofer untersuchen in ihrem peer-reviewten Aufsatz wie Parteien im Rahmen des Bundestagswahlkampfs 2021 Targeting auf Facebook einsetzten, um Wähler:innen zielgerichtet anzusprechen. Neben dem Fokus auf Zielgruppen und inhaltliche Schwerpunkte werden in dem Beitrag auch die ethischen Implikationen des Microtargetings diskutiert.
Im zweiten Aufsatz im Heft diskutiert Olaf Hoffjann die Konzeption der politischen Kommunikationsverschmutzung als unbeabsichtigte Nebenwirkungen unlauterer Praktiken wie Desinformation und Populismus auf die politische Kommunikationskultur. Er verdeutlicht wie eine zunehmend gehetzte, unverbindlichere und feindseligere politische Kommunikationskultur eine mögliche Folge dieser Entwicklungen sein könnte und eröffnet Perspektiven, wie sich diese zukünftig entwickeln könnte.
In ihrem Beitrag für die Rubrik „Kommunikation in Religion und Gesellschaft“ beleuchtet Sina Hartert ein Thema, das in der medialen Berichterstattung häufig zu kurz kommt: Obwohl Christenverfolgung im 21. Jahrhundert zu einem globalen Phänomen geworden ist, wird es in den Medien kaum thematisiert. Im Rahmen von sieben Leitfadeninterviews mit Journalist:innen aus unterschiedlichen Zeitungshäusern untersucht sie, wie in deutschsprachigen Redaktionen mit dem Thema umgegangen wird.
Ab sofort sind die einzelnen Artikel online verfügbar.
DOI 10.5771/0010-3497-2024-1-1
In unserer aktuellen Ausgabe können Sie den Beitrag „Kinoerzählen und digitaler Wandel in Ostafrika. Transformationen einer intermedialen Erzählgattung“ von Matthias Krings kostenfrei abrufen (DOI: 10.5771/0010-3497-2023-4-460).
Selbstverständlich erscheint die Ausgabe, wie gewohnt, auch in gedruckter Form.