Ende Januar jeden Jahres(1) lassen die Päpste ihre Medienbotschaft veröffentlichen. Das geschieht schon seit über 50 Jahren, seit dem Ende des 2. Vatikanischen Konzils (1966). Ein Grundtenor dieser Briefe: Damit Medien wirklich „soziale Kommunikationsmittel“ werden, wie kirchliche Dokumente sie nennen, muss es in ihnen eine Kultur des Respekts und des gegenseitigen Verstehens geben, müssen ihre sozialen Potentiale genutzt werden – nicht nur von den Journalisten und Medienorganisationen, sondern auch vom Publikum.
Im Gottesdienst verlesen – oder wenigstens als Drucksache aufgelegt – werden soll diese Botschaft jeweils am „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“. In Deutschland ist dieser Welttag auf den zweiten Sonntag im September festgesetzt. Er findet dort freilich kaum Aufmerksamkeit, nicht nur weil die Seelsorger*innen gerne sich selber predigen hören. Schade eigentlich, denn die ca. drei Seiten langen Medienbriefe der Päpste sind es wert, wahrgenommen zu werden.
Papst Franziskus hat seit 2014 insgesamt sechs solcher Medienbriefe verfasst. Auch wenn daran wohl der vatikanische Medienrat mitformuliert haben mag, erkennt man in ihnen die großen Themen des gegenwärtigen Papstes: Kommunikation als Mittel zur Überwindung von Spaltung und Ausgeschlossensein (2014); die Familie als „der erste Ort, wo wir lernen zu kommunizieren“ (2015); die Rolle von Barmherzigkeit in der Kommunikation (2016); die Bedeutsamkeit auch von guten Nachrichten (2017); der Umgang mit Fake News und die Notwendigkeit eines Friedensjournalismus (2018).
Dabei spricht er die Sozialen Netzwerke deutlich an, vor allem im Medienbrief von 2018. Der von 2019 behandelt sie noch ausführlicher. Hier betrachtet er sie unter drei „Metaphern“, wie er seine Leitbilder selbst nennt: die gemeinschaftbildende Kraft des Netzes, die Verbundenheit von Gliedern in einem Leib und das Sich-in-Beziehung-Setzen von Personen, nicht nur durch Likes, sondern durch gegenseitiges Anerkennen mit der Qualität eines „Amen – ja so sei der/die andere“. „Von den Social Network Communities zur menschlichen Gemeinschaft“, so der Titel seines Medienbriefes 2019.
Natürlich werden hier Ideale vorgestellt, werden hohe Ziele anvisiert. Und – dem Verlesen im Gottesdienst geschuldet – finden sich in diesen Medienbriefen allenthalben Verweise auf biblische Personen, die diese Ideale gelebt haben. Aber die Sprache ist meist verständlich, sie gibt für die Chancen und Gefahren konkrete Beispiele. Es finden sich im Text nicht nur Glaubensargumente und Aufgabenstellungen für die Kirche, sondern ebenso Vernunft-Appelle an das allgemeine moralische Bewusstsein. Der Einwand, dass es damals noch kein Internet gab, verfängt nicht; denn Oberflächlichkeit, Manipulation und Aufstachelung zur Ausgrenzung gab es schon vor den heutigen Medien – wie es auch die positiven Wirkungen eines wahrheitsgemäßen und alle einbeziehenden öffentlichen Mitteilens schon immer gab.
Was man an diesen medienethischen Appellen jedoch zur Recht kritisieren kann, ist ihre individualethische und kommunitaristische Perspektive. Es wird nur die Verantwortung des einzelnen Journalisten oder Rezipienten bzw. seiner Familie angesprochen, nicht jedoch die gesetzgeberischen Möglichkeiten oder die internationalen Konventionen – so wie das in den Denkschriften der evangelischen Kirche oder gemeinsamen Erklärungen von EKD und DBK der Fall ist.(2) Aber dazu sind die Medienbriefe der Päpste zu sehr an die Weltkirche gerichtet, die ja unterschiedlichste Länder umfasst; die päpstlichen Medienbotschaften wollen dort in Gottesdiensten verlesen oder in kirchlichen Aus- und Fortbildungsgängen behandelt werden.
Dennoch lohnt es sich, sie auch hierzulande zu lesen. (3) Sie können einen darin bestärken, auch die „normalen“ Mittel des Rechts, der Professionsethik, der Medienbildung und der Selbstdisziplin dafür einzusetzen, dass die Sozialen Netzwerke menschlich bleiben.
Rüdiger Funiok
(1) Das exakte Datum ist der 24. Januar, der Gedenktag an den heiligen Franz von Sales (1567 – 1622), Bischof von Annecy. Kurz nach seiner Priesterweihe (1593) erklärte er sich bereit, an der Wiedereinführung des katholischen Glaubens im calvinistisch gewordenen Teil der Diözese Genf, dem Chablais, zu arbeiten. Da die Calvinisten der Bevölkerung unter Strafe verboten, seine Predigten zu hören, nutzte Franz von Sales das Medium Flugblatt, um seine Gedanken zu den Menschen zu bringen. Und er hatte damit Erfolg. Nach vier Jahren war fast die gesamte Bevölkerung des Chablais zum katholischen Glauben zurückgekehrt. Diese „Presseaktion“ war einer der Gründe, warum Franz von Sales 1923, anlässlich seines 300. Todestages, von Papst Pius XI. zum Schutzpatron der Schriftsteller und Journalisten ernannt wurde.
(2) Vgl. „Chancen und Risiken der Mediengesellschaft. Gemeinsame Erklärung der DBK und des Rates der EKD“ 1997; abrufbar unter: https://www.ekd.de/mediendenkschrift_1997_denkschrift.html
(3) Abrufbar unter: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/communications.index.html