„Krimi, True Crime & Kriminalität“: Ausgabe 3/2023

„Krimi, True Crime & Kriminalität“: Ausgabe 3/2023

Zum aktuellen Heft:
Krimi, True Crime & Kriminalität

Ein Ehepaar kuschelt sich auf die Couch – der „Tatort“ auf dem Bildschirm davor. Eine junge Mutter schiebt den Kinderwagen, „Mordlust“ über die Earpods im Kopf. Ein Mann, ein Liegestuhl, Sommer, Sonne und in der Hand „Goldenes Gift“, in Buchform. All diesen Szenarien gemein: das (mediale) Verbrechen und die Lust daran. Kriminalität fesselt Menschen in Filmen, Serien, Podcasts und Büchern.

Aber ist es aus ethischer Sicht überhaupt in Ordnung, sich von Verbrechen und Gewalt unterhalten zu lassen? Wie ist die Lust an Kriminalität in den Medien zu bewerten? Fragen wie diese stehen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Communicatio Socialis im Fokus. Neben der medialen Repräsentation fiktionaler und non-fiktionaler Verbrechen sowie des Umgangs des Publikums hiermit werden im Heft auch die Strukturen und Folgen der Kriminalitätsberichterstattung eingehend diskutiert.

Die Beiträge im Heft

Der Schwerpunkt startet im fiktionalen Bereich: Dennis Gräf widmet sich einem Liebling der deutschen Rezipient:innen: dem öffentlich-rechtlichen Fernsehkrimi. Die dargestellten Welten verortet er zwischen Romantik und Realismus und analysiert an einer Vielzahl von Beispielen die Installation unterschiedlicher Werte- und Moralvorstellungen sowie ästhetischer und narrativer Strategien.

Zwischen Fiktion und Realität verortet sich das gerade bei jungen Frauen beliebte Format „True-Crime“. Ingrid Stapf argumentiert in ihrem über die Nomos eLibrary kostenfrei abrufbaren Aufsatz, dass es sich dabei nicht um „wahre Verbrechen“, sondern vielmehr um „fiktionalisierte Wahrheit“ handle. Sie befasst sich mit den Potenzialen und Risiken einer solchen Darstellung von Tod und Sterben und legt einen besonderen Fokus auf Kinder und Jugendliche als vulnerable Zielgruppe.

Wie reale Gewaltkriminalität in Zeitungen, Fernsehnachrichten und Boulevardmagazinen dargestellt wird, analysiert Thomas Hestermann. Der Vergleich mit der Kriminalstatistik zeigt, dass die Medien ein verzerrtes Bild zeichnen. Insbesondere die Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen führt Hestermann dabei auf den öffentlichen Druck durch Rechtspopulisten zurück.

Auf die Verantwortung der Journalist:innen zielt auch Christine E. Meltzer in ihrem Beitrag über die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen ab. Sie präsentiert bestehende Leitlinien und ergänzt diese mit praxisnahen Empfehlungen. Eine besondere Rolle spielen dabei aus ihrer Sicht eine sensible Sprache und die Einordnung von Gewalt als strukturelles Problem.

Das Berichten über Gerichtsprozesse hat eine jahrhundertealte Tradition. Dabei geht die Beziehung zwischen Medien und Gerichten über die rein informative Gerichtsberichterstattung hinaus. Der Versuch, das Prozessergebnis bzw. den Prozessverlauf zu beeinflussen, wird als Litigation-PR bezeichnet. Rechtsanwalt Ernst Fricke skizziert die Dimensionen dieser strategischen Rechtskommunikation in seinem Beitrag und ordnet diese kritisch ein.

Das Spannungsverhältnis von Furcht und Faszination sowie die mediale Verantwortung im Kontext von Kriminalität beleuchtet das Interview mit Melanie Verhovnik-Heinze. Thema ist zudem, wie Eltern und Pädagog:innen Kinder und Jugendliche im sinnvollen Umgang mit medial dargestellter Gewalt und Kriminalität unterstützen können.

Den Abschluss des Schwerpunkts bilden die Innenansichten. Zu Wort kommen drei Personen, die sich beruflich mit der medialen Darstellung von Kriminalität befassen: Zunächst teilt Richard Auer, Autor diverser Regionalkrimis, seine Gedanken dazu, was Menschen an eben dieser Spezialart von Krimi so fasziniert. „Tatort“-Produzentin Verena Veihl gibt Einblick in Ihre Überlegungen bei der Konzeption und Betreuung des Berliner „Tatort“. Das Berufsbild des Gerichtsreporters präsentiert schließlich einer der bekanntesten seiner Art, nämlich der ehemalige Gerichtsberichterstatter der „Süddeutschen Zeitung“, Hans Holzhaider.

Im aktuellen Heft finden Sie zudem zwei Aufsätze: Mykola Vytivskyi untersucht, in welcher Form wertende Sprache in der Propaganda Russlands im Kontext des Angriffskriegs gegen die Ukraine vorkommt. Hierzu wertet er Reden des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie unterschiedliche Medienbeiträge aus.
Nicht zuletzt aufgrund des Kriegs in der Ukraine wächst das Interesse an der Berichterstattung über die Bundeswehr. Was es bei der Gestaltung entsprechender Medienbeiträge aus ethischer und praktischer Sicht zu beachten gilt, das erörtert der Berliner Reporter Christian Schweppe.

Im Schwerpunkt „Kommunikation in Religion und Gesellschaft“ diskutiert Christiane Florin die Aufarbeitung und Medienarbeit der deutschen Bischöfe in Kontext des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Kritisch beleuchtet sie den Umgang der Bischöfe mit der Wahrheit und reflektiert dabei auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen die ethischen und presserechtlichen Bedingungen entsprechender Berichterstattung.

In ihrem englischsprachigen Beitrag zeigt Anna Puzio abschließend auf, wie Technologien des Transhumanismus aus ethischer und religiöser Perspektive eingeordnet werden können. Neben unterschiedlichen technologischen Entwicklungsansätzen blickt sie dabei auch auf die Folgen der „Death Tech“ etwa im Hinblick auf Trauerbewältigung und Erinnerungskultur.

DOI doi.org/10.5771/0010-3497-2023-3

Selbstverständlich erscheint die Ausgabe, wie gewohnt, auch in gedruckter Form.

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