Zum aktuellen Heft:
„Sozialisation in der digitalen Medienwelt“
Mit Sicherheit erinnern Sie sich an verschiedene prägende Geschichten und Figuren Ihrer Kindheit und Jugend. Wir finden sie in Büchern, Comics, Filmen oder hör(t)en sie auf Schallplatten, Kassetten und CDs. Die verschiedenen Medien liefern uns nicht nur Information, sondern auch Geschichten, Unterhaltung und Abwechslung. Sie führen uns in ferne Welten, schaffen emotionale Bindungen oder kreieren parasoziale Beziehungen – und prägen damit nicht zuletzt, wie wir uns selbst wahrnehmen; wie wir uns darstellen; wer wir sind. Die Frage danach, welche Bedeutung digitale Medienwelten für die Sozialisation haben, sind damit von großer ethischer Relevanz. Dies wird in den vielfältigen Beiträgen der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Communicatio Socialis deutlich, in der aktuelle Entwicklungen und Projekte zur Mediensozialisation aus medienethischer Sicht diskutiert werden.
Die Beiträge im Heft
Den Auftakt macht Dieter Spanhel mit seinem Aufsatz zur „Sozialisation im digitalen Wandel“. Spanhel bringt historische Entwicklungen und aktuelle Tendenzen zusammen und wirft dabei auch einen kritischen Blick auf völlig unterschiedliche Lebens- und Lernwelten in der digitalen Gesellschaft. Sein Fazit: Wir müssen die Schulen und Weiterbildungseinrichtungen völlig neu denken („Schulkultur der Offenheit“), technisch und organisatorisch auch komplett neu ausgestalten.
Diese Vorlage greift Susanna Endres in ihrem über die Nomos eLibrary frei zugänglichen Beitrag auf. Sie blickt noch stärker auf die Medienkompetenz als zentralen Faktor der Sozialisationsprozesse. Die Autorin integriert dazu traditionelle Formen und Modelle der Medienkompetenz mit ethischen Kompetenzen. Ihr Fazit: Nicht nur das Zusammenspiel der Kompetenzen, sondern der verantwortungsvolle Umgang im Lehren und Lernen sind das zentrale Herzstück der Schnittstelle von Medienpädagogik und Ethikdidaktik.
Einen besonderen Fokus auf die vielschichtigen (sozialen) Wirkungen der Digitalisierung werfen anschließend Petra Grimm und Jan Erik Trost. Ihr Beitrag blickt genauer auf die „Wertekonflikte in digitalisierten Arbeitswelten“ und versucht daraus Ableitungen für überarbeitete und neue Fähigkeiten „für ein gelingendes Leben im digitalen Zeitalter“ zu treffen. Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass es für die aktive Mitgestaltung der digitalisierten Welt die Fähigkeit braucht, bestehende Wertekonflikte zu erkennen und schrittweise auflösen zu können.
Einen harten Einschnitt in alle Formen von Sozialisation und Mediensozialisation brachten die Jahre der Corona-Pandemie insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit sich. Christine W. Trültzsch-Wijnen und Sascha Trültzsch-Wijnen greifen dieses Thema in ihrem Beitrag auf. Angesichts der Studienlage gehen sie für die Medien von einer größeren „Bedeutung im Bereich der Sozial- und Selbstauseinandersetzung“ aus und sehen insbesondere an dieser Stelle großen Bedarf für eine weitergehende Auseinandersetzung in Wissenschaft und Praxis.
Aus der literaturdidaktischen Perspektive werden diese Erkenntnisse von Iris Kruse präzisiert. Die Professorin am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft in Paderborn spricht im Interview mit Annika Franzetti über die Bedeutung des Lesens für die Sozialisation und gibt Einblicke in ihre Tätigkeit und die Entscheidungen in der Kritikerjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis.
Ergänzend dazu liefern abschließend drei weitere Beiträge Innenansichten ins Thema und zeigen die Herausforderungen und Chancen von Praxisprojekten. Sophie Pohle und Friederike Siller diskutieren anlässlich des Online-Dossiers „Teilhaben! Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung“ die Impulse und Perspektiven für eine Stärkung der Teilhabemöglichkeiten junger Menschen im digitalen Umfeld. Petra Grimm ermöglicht Einblicke in die für Schulen und die Jugendarbeit erstellten Unterrichtsmaterialien „Ethik macht Klick. Meinungsbildung in der digitalen Welt“. Und abschließend werfen Julia Behr und Lena Schmidt einen Blick auf die ganz junge Gruppe der Gesellschaft und beschreiben neue Formen und Formate unter dem Titel: „Medienkompetenz in der Frühpädagogik – zwischen Lebensweltorientierung, Schutz und Befähigung“.
Der Aufsatz im aktuellen Heft beleuchtet ein Themenfeld, das in der Medienethik häufig vernachlässigt wird: Die Darstellung der Landwirtschaft in den Medien. Hierzu beleuchtet Barbara Henrika Alfing in einer empirischen Erhebung, wie Qualitätsmedien und Agrarfachmagazine über Krisen in der Landwirtschaft berichten.
Eine umfassende Retrospektive zur Medienberichterstattung über Benedikt XVI. bietet der Beitrag von Lena Baumann und Jürgen Erbacher in der Rubrik „Kommunikation in Religion und Gesellschaft. Hierin wird anhand von Beispielen aufgezeigt, wie sich die Papst-Berichterstattung sowie die mediale Stimmung ausgehend von einer medialen Anfangseuphorie bis hin zum Tod von Benedikt XVI. entwickelte.
DOI doi.org/10.5771/0010-3497-2023-2
Selbstverständlich erscheint die Ausgabe, wie gewohnt, auch in gedruckter Form.