Zum aktuellen Heft:
„Gaming“
Die Faszination von Computerspielen hat längst alle Gesellschaftsgruppen erreicht. Was früher als Nischenthema galt, ist heute ein kulturelles, wirtschaftliches und soziales Schwergewicht. Rund 53 Prozent der Deutschen spielen Computerspiele, bei den 16- bis 29-Jährigen sind es sogar 91 Prozent. Umso wichtiger ist es, sich dem Phänomen auch aus medienethischer Perspektive zu nähern. Dabei ergeben sich zahlreiche Anschlussfragen: Wie ist das Spielen grundsätzlich zu bewerten? Welche ethischen Fragen werden im Spiel thematisiert? Wie werden im Spiel ethisch relevante Entscheidungen getroffen?
Die aktuelle Ausgabe der medienethischen Zeitschrift Communicatio Socialis diskutiert vielfältige Fragestellungen rund ums Gaming und verdeutlicht damit deren Relevanz.
Die Beiträge im Heft
Zum Einstieg in das hochaktuelle Thema untersuchen Daniel Stegmann und Birgit Stark in ihrem über die Nomos eLibrary kostenfreien Beitrag (https://doi.org/10.5771/0010-3497-2024-2-144), wie öffentlich-rechtliche Medien ihre Integrationsfunktion erfüllen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine intensivere Nutzung öffentlich-rechtlicher Nachrichtenangebote sowohl mit einer höheren Repräsentationswahrnehmung als auch zu einem stärker aus geprägten Gemeinschaftsgefühl einhergehen.Zum Einstieg erläutern Christian Schwarzenegger, Erik Koenen, Kerstin Radde-Antweiler und Karsten D. Wolf die Entwicklung des digitalen Spielens zu einem zentralen Element unserer Gesellschaft. Sie plädieren für eine ganzheitliche Perspektive, um dieses Phänomen näher zu erforschen und entwickeln in diesem Kontext das Konzept des „Gamevironments“ weiter.
Ein Aspekt der Perspektivenerweiterung ist auch die Feststellung, dass Games nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch genutzt werden, um Wissen, Werte und Kompetenzen zu vermitteln. Philip Dietrich fragt in seinem Beitrag, inwiefern digitale Spiele einen verantwortungsvollen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten können. Er konzentriert sich auf die Darstellung des Nationalsozialismus in Spielen und präsentiert Ergebnisse seiner Interviews mit Game Designer:innen und Gedenkstätten.
Computerspiele als Ort der Selbstkonstruktion, Identitätserprobung und Gemeinschaftserfahrung rücken im Aufsatz von Michael S. Daubs und Jeffrey Wimmer in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Online-Spieleplattformen weltweit rechtsextreme Inhalte beherbergen und teils eine zentrale Rolle bei Massenschießereien spielten. Die beiden Wissenschaftler geben einen Forschungsüberblick zu den Faktoren der Radikalisierung und zeigen Desiderate auf.
Stefan Piasecki konzentriert sich in seinem Beitrag auf ein Kernelement vieler Spiele: den Tod bzw. das Sterben. Er begibt sich anhand vieler praktischer Beispiele auf die Suche nach der Funktion von Todesereignissen in Games und gibt eine medienethische Einordung zu den damit verbundenen Problemfeldern wie der Verharmlosung und Verherrlichung von Gewalt sowie den emotionalen und psychischen Auswirkungen für Spieler:innen.
Christian Gürtler und Max Tretter widmen sich einem weiteren beliebten Bestandteil von Videospielen: religiösen Elementen. Ihr Artikel konzentriert sich jedoch auf den Forschungsprozess als solchen, denn das Identifizieren und Analysieren religiöser Elemente in Spielen kann aufwendig sein. Gürtler und Tretter nutzten daher eine KI zur Unterstützung und diskutieren anhand der KI-gestützten Ergebnisse die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung künstlicher Intelligenz bei der Videospielanalyse.
Aufgrund ihrer großen Relevanz insbesondere für junge Menschen, muss sich die Videospiel-Branche dringend die Frage stellen, inwiefern sie allen Personengruppen gleichermaßen die Möglichkeit zur Partizipation gibt, argumentieren Susanne Eggert und Angela Tillmann. Die Medienpädagoginnen präsentieren in ihrem Beitrag Ergebnisse des Projekts „InGame – Medienbildung inklusiv mit digitalen Spielen“ und zeigen auf, wie Menschen mit Behinderungen diskriminierungsfrei an der digitalen Spielekultur teilhaben können. Teilhabe steht auch im Fokus des Berichts von Benjamin Hillmann von der Stiftung Digitale Spielekultur. Er präsentiert die Initiative „Stärker mit Games“, die darauf zielt, Kindern und Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien kulturelle Bildung und Medienkompetenz zu vermitteln.
Für eine saubere Differenzierung verschiedener Spieletypen und insbesondere ihrer Monetarisierungsmodelle werben Claudius Clüver und Lies van Roessel in ihrem Gespräch mit der Communicatio Socialis. Sie betrachten insbesondere die weit verbreitete Technik der In-Game-Käufe und erläutern auf Basis ihrer Forschung die Perspektiven von Spieler:innen und Entwickler:innen auf diese und weitere Monetarisierungsmöglichkeiten.
Der Aufsatz im aktuellen Heft behandelt das wichtige Thema der Nachhaltigkeit von Medienunternehmen. Wie diese in der Praxis ihrer Verantwortung z. B. mittels Nachhaltigkeits- und CSR-Konzepten gerecht werden, haben Alexander Steger und Michael Graßl mithilfe von qualitativen Leitfadeninterviews erforscht.
In der Rubrik Kommunikation in Religion und Gesellschaft zeichnet Anna-Maria Balbach anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Radiopredigt nach, wie religiöse Beiträge ihren Weg ins Radio fanden. Anhand verschiedener Quellen wird gezeigt, wie die ersten Radiopredigten gestaltet waren.
Ab sofort sind die einzelnen Artikel online verfügbar.
https://doi.org/10.5771/0010-3497-2024-3
In unserer aktuellen Ausgabe können Sie den Beitrag „Analyse von Extremismus in Online-Spieleplattformen. Ansätze und Herausforderungen“ von Michael S. Daubs und Jeffrey Wimmer kostenfrei abrufen (DOI: https://doi.org/10.5771/0010-3497-2024-3-330).
Selbstverständlich erscheint die Ausgabe, wie gewohnt, auch in gedruckter Form.