Zum aktuellen Heft: Thema „Kriegsberichterstattung“
Längst gehört zur Taktik jeder Konfliktpartei, Medien für eigene Zwecke zu instrumentalisieren und freie Berichterstattung zu verhindern. Kriegsberichterstattung fordert Journalismus und Wissenschaft entsprechend gleichermaßen heraus: Journalist:innen müssen sich in besonderer Weise und vor dem Hintergrund extremer Bedingungen mit ihrer Funktion, Rolle und Verantwortung kritisch auseinandersetzen. Die (Kommunikations-)wissenschaft ist aufgefordert, möglichst viele Facetten der Kriegsberichterstattung in den Blick zu nehmen, nicht ohne medienethische Aspekte zu benennen. Hierzu leistet das vorliegende Heft von Communicatio Socialis einen Beitrag.
Die Beiträge im Heft
Im ersten Aufsatz diskutiert Christian Schicha normative Anforderungen an Journalist:innen angesichts besonderer Merkmale der Kriegsberichterstattung. Er zeigt deren spezifischen medienethischen Herausforderungen auf und widmet sich in einem weiteren Schritt möglichen Wirkungen von verstörenden Medieninhalten. Hiervon ausgehend entwickelt Schicha Handlungsempfehlungen.
Markus Behmer nimmt in seinem Beitrag, der über die Nomos eLibrary kostenfrei zugänglich ist (https://doi.org/10.5771/0010-3497-2022-4-454) die Bildberichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten in den Fokus. Anhand zahlreicher Beispiele aus vergangenen Konflikten sowie aus dem Krieg in der Ukraine kann er zeigen, wie essentiell Bilder für die Wahrnehmung von Kriegen sind, welche ethischen Gratwanderungen Journalist:innen und Redaktionen bei der Veröffentlichung solcher Bilder machen und welche (ethischen) Grenzen nicht überschritten werden sollten.
Mittels einer Frame-Analyse der kommentierenden Berichterstattung in deutschen Zeitungen und Zeitschriften über die Maidan-Proteste und die Krim-Krise 2014 kann Kinza Khan darlegen, welche Deutungsmuster die Berichterstattung dominierten. Sie argumentiert „dass die Übersetzungsleistung von Krisenberichterstattung dann gelingen kann, wenn Eigenkategorien überwunden werden und eine abgewogene Mischung“ aus Anerkennung von Komplexitäten couragiert-fundierter Positionierung entstehe.
Regina Elsner befasst sich mit der Rolle der Kirchen im Ukrainekrieg. Ausgehend von einer ausführlichen Analyse der historisch gewachsenen Rollen der jeweiligen Kirchen argumentiert sie, dass Kirchen erst dann substanziell zum Frieden beitragen können, wenn sie dem Krieg das religiös ideologische Fundament entziehen.
Die unterschiedlichen Kommunikationsstrategien der Kriegsparteien Russland und Ukraine analysiert Gemma Pörzgen. Sie kommt zu dem Schluss, dass Russland auf Propaganda setzt, mit der die Regierung den Rückhalt des eigenen Volkes gewinnen will, während die Ukraine mittels PR-Strategien um Unterstützung im Ausland wirbt.
Entlang vieler Beispiele berichten in ihrem Essay Julia Maas und Jörn Ratering von ihren Erfahrungen mit Verifikation von Bildern und Videos aus der Ukraine.
Schließlich hat Communicatio Socialis drei Medienpraktiker:innen gewinnen können, die Einblicke in ihre Arbeit geben: Eva Radlicki schreibt darüber, wie die Redaktion der Nachrichtensendung „logo!“, Kindern den Krieg erklärt. Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ erklärt, wie seine Organisation Journalist:innen in der Ukraine schult, schützt und unterstützt. Mykola Vytivskyi berichtet über seine journalistische Tätigkeit für ein Medienunternehmen in der Ukraine während des Krieges.
Der Frage danach, wie Öffentlich-rechtliche Medien auf kommerziellen Plattformen agieren können und sollten, widmet sich im Aufsatz des aktuellen Heftes Henning Eichler. Auf Basis aktueller Studienergebnisse formuliert er so den Vorschlag für eine digitale Medienethik für Öffentlich-rechtliche Medien.
Ab sofort sind die einzelnen Artikel online verfügbar.
doi.org/10.5771/0010-3497-2022-4
Selbstverständlich erscheint die Ausgabe, wie gewohnt, auch in gedruckter Form.